Ja, tatsächlich schreibt man den Vornamen so, THiLO. Unter diesem Kürzel ist unser heutiger Musikliebhaber THiLO Petry-Lassak (Jahrgang 1970) nämlich bekannt als einer der erfolgreichsten Kinderbuchautoren in Deutschland. Bis heute erschienen von ihm 350 Bücher in 25 Sprachen mit einer Auflage von über 5 Millionen Exemplaren. Wir werden ihn in Kürze auch noch deshalb näher vorstellen, weil er bald wieder, wenn die Pandemie vorüber ist, über 200 Nächte des Jahres auf seinen Lesereisen in einem umgebauten Bus verbringt und nach 1000 Tagen und Nächten leben und arbeiten im selbstausgebauten Van mit seinem Bruder die Rundum-sorglos-Campervermietung „Superkutschen – Camper für Erwachsene“ gründete. Und auch jetzt lehnt er sich nicht entspannt zurück, sondern hat mit den Lockdown-Agents ein Escape Room zum Ausdrucken entwickelt.
Aber hier kümmern wir uns um Musik. Auch dazu hat THiLO einiges zu erzählen. Als Student in Münster hatte er eine eigene Musiksendung im Radio, eine Dekade lang besuchte er drei Konzerte pro Woche und er steht sowohl auf Konzerte in kleinen Clubs als auch Stadionrock und Festivals wie Roskilde. Er hört weiterhin Vinyl, besitzt über 2000 LPs und lässt den Plattenspieler sogar im selbstausgebauten Van laufen. Zu der Anfrage nach dem Mixtape sagte er:
Sich auf 15 Songs zu beschränken ist wie gute Freunde verraten…
Top 15 Songs von THiLO Petry-Lassak
80er
1. Joy division // Disorder
Als ich Joy Division entdeckte, war Sänger Ian Curtis bereits tot und mir die Chance genommen, meine Helden live zu sehen. Meine damalige Gang und ich hörten die Alben hoch und runter, bis sich die Nadel durch´s Vinyl fraß. Auch zu sechst im T2 auf dem Weg nach Jugoslawien (Kassette). Sobald die erste Note von „Disorder“ erklingt, habe ich wieder das pisswarme Karlsquell auf der Zunge.
2. The Smiths // What difference does it make
Ewige Helden, Teil 2. The Smiths hatten alles, was man als Teenie braucht: Rohe Gewalt, Indie-Tanzhymnen und Weltschmerz-Balladen. Meine Verehrung ging so weit, dass ich einmal mit einer Freundin Schluss machte, weil Morrissey auch zölibatär lebte (sorry, Marion!) Das Zölibat hielt allerdings nur bis zur nächsten Party (sorry Nicole!).
3. Human League // Don´t you want me
Um meinen Kids die 80er musikalisch zu erklären, reichen die ersten 10 Sekunden dieses Songs. „Es war nicht gerade das Jahrzehnt der gitarreorientierten Musik“, antworten sie dann immer. Alle billigen Nachahmer erkannte man daran, dass die Keyboarder bei den Videos breitbeinig mit unbewegtem Gesicht in die Tasten hauten und zur Seite starrten.
Besonders gefällt mir als Autor, wie hier eine Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt wird.
4. Talking Heads // Slippery People (Studio version)
Talking Heads waren für mich die Gruppe der 80er, stilprägend, vorweggehend und gerade so arty, dass sie Niemandem auf den Geist gingen. Als sie mit „Naked“ ihr letztes – unterschätztes – Album veröffentlichten, war ich verzweifelt.
5. Prince // Hot Thing
Alle 8 Alben von Dirty Mind bis Lovesexy liegen bei mir regelmäßig auf dem Plattenteller und versetzen mich auch heute noch gleichzeitig in Erstaunen und Extase. Zur Lovesexy-Tour 88 trampte ich mit meinem Kumpel Hartwig vom Sauerland nach Frankfurt. Die Vorband sparte Prince sich und spielte einfach selbst 3,5 Stunden. Wenn „Hot Thing“ läuft, sehe ich ihn immer wie im Livevideo: Prince rutscht auf Knien durch die gespreizten Beine von Tänzerin Cat und reißt ihr perfekt im Rhythmus mit den Zähnen den Rock runter. Jahrelang versuchte ich das Kunststück auf Partys mit den jeweiligen Damen meines Herzens nachzumachen. Mit wechselndem Erfolg auf allen Ebenen…
6. Run DMC / Aerosmith // Walk this way
Shit, what is this? – so dachte ich, als ich den Song zum ersten Mal hörte. Wir waren zum Schüleraustausch in London – deshalb dachte ich auch in Englisch. Immer wenn ich Run DMCs Album Raising Hell höre, bin ich 15 und stehe mit Walkman in der Tube.
7. Red Hot Chili Peppers // Nobody weird like me
Die Chili Peppers traten durch einen Werbespot von Nike in mein Leben, das muss etwa 1987 gewesen sein. Ihre Energie haute mich sofort um. Dieser Song trifft genau das, was ich über sie und mich dachte. Bei „Blood Sugar Sex Magic“ endete unsere Beziehung, diese Doppel-LP konnte nichts mehr toppen. Alle nachfolgenden Alben klingen für mich nur wie Wiederholungsversuche. Ein harter Monat, denn auch Prince brachte mit „Grafitti Bridge“ die letzte LP heraus, die ich mir kaufte. Bei ihm allerdings hätte ich schon vor „Batman“ Schluss machen sollen.
8. Guns n‘ roses // Nightrain
Mit „Appetite for Destruction“ machte ich mich immer zum Ausgehen warm, „Nightrain“ handelt von billigem Fusel und sinnlosem Abhängen. Auf dem Konzert im Köln Müngersdorfer Stadion (damals hießen Fußballarenen noch nicht wie Autokredite) waren die Vorbands wie von mir gewünscht Faith no more und die in Europa noch völlig unbekannten Soundgarden. Bei „Rusty Cage“ sangen von 50.000 Leuten nur Chris Cornell und ich – kannst jeden fragen, so war´s.
90er
9. Notwist // Puzzle
Notwist ist über jeden Zweifel erhaben. Ihr Album „12“ bekam ich vor Erscheinen zugeschickt und spielte fast jeden Track in meiner Radiosendung, „Puzzle“ mehrmals. Unzählige Male habe ich Notwist seitdem live gesehen, von sterbenslangweilig bis legendär waren alle Zustände dabei.
10. Sterne // Tourtagebuch
Anfang der Neunziger gab es zwei wichtige Städte in der Musikwelt: Seattle und Hamburg. Auch die Sterne sind treue Begleiter meines Konzertlebens. Beim letzten Bizarre-Festival spielten sie nachts um 3 auf einer Nebenbühne mit Fickt Stoiber!-Aufkleber auf dem Schlagzeug (ist wohl schon etwas her.) Anschließend kamen Beatsteaks und rissen den Laden entgültig ab. Legendäres Doppel!
11. Blumfeld // Evergreen
Sänger Jochen Distelmeyer wirkt auf Fotos oft wie der schüchterne, blasse Junge, der im Gespräch keinen Ton herausbringt – was für ein Irrtum. Anfang der Neunziger riskierte ich Kopf und Kragen, als ich mit meiner Pressekarte zum Einlass drängelte. Das Gleis 22 in Münster fasste 150 Menschen, vor der Tür versuchten weitere 500 doch noch irgendwie reinzukommen. Bei „Evergreen“ entschuldigte Distelmeyer sich und meinte, wir sollten uns beim BaBaBa im Refrain statt ihm lieber eine singende Catherine Deneuve vorstellen. Mach ich immer seitdem.
12. Tocotronic // Meine Freundin und ihr Freund
Hamburger Schule, Teil 3. Tocos Erstling „Digital ist besser“ war bahnbrechend. Die Texte kaum zu verstehen, vom musikalischen Können auf dem Stand von Grundschülern und die Bandfotos verwackelt – mit einem Wort: Genial! Jeder Song eine Parole, die man sofort auf graue Vorstadtmauern sprühen möchte.
13. Hellacopters // Gotta get some action now
The Hellacopters entdeckte ich 1996 in Norwegen und musste sie gleich kaufen. Beim Grenzwechsel nach Schweden musste ich beim Zoll meinen Rucksack öffnen, was an meinen knallroten Haaren liegen mochte. Der Zollbeamte starrte das Cover an und meinte: „Ich mag die Hellacopters nicht, aber meine Tochter liebt sie.“ Und ich antwortete: „Dann möchte ich sie dringend treffen.“ Er jagte mich von Bord.
Später hing ich öfter vor Konzerten bei ihnen in der Umkleide rum und sah Nicke und Dregen beim Schminken zu. Ihr Auftritt in Roskilde mittags um 12 war das beste Konzert aller Zeiten.
14. Party Diktator // Hitman
Party Diktator aus Bremen sind heute vergessen und flogen auch damals völlig unter dem Schirm. Für mich aus zwei Gründen: Der Name passt nicht wirklich zu ihrer Musik und bei Roadrunner Records waren sie zwischen Life of Agony und Type 0 Negative völlig falsch platziert. Ihre rohe Energie kommt auf Platte schon super, aber live waren sie das ultimative Brett. Beim Konzert in Ahaus waren etwa 8 Zuschauer, es war trotzdem eines der besten meines Lebens.
15. Motorpsycho // Leave it like that
Die Norweger kommen bei mir Göttern gleich, seit ich „Demon Box“ 1993 entdeckte. Seitdem liefern sie jedes Jahr papstsicher ein Hammeralbum ab. „Leave it like that“ vereint alles, was sie ausmacht, den Wechseln von laut und leise, Gesang und Gebrüll, verzerrte Gitarren und eine Wahnsinns-Meldodie. Ihr episches Jammen bei Konzerten ist einmalig, in Münster spielten sie in 2 Stunden einmal 3 Songs. Dann war ohne Zugabe Schluss.
Hidden track
Trettmann // Fast forward
Bei einer Reise im Van durch Südtirol koppelte mein Sohn sein Telefon mit der Bordanlage und wir hörten Trettmanns zwei damalige Alben zehn Tage lang in Dauerschleife. Beim Hören sehe ich mich, ihn und meine jüngste Tochter lässig über Alpenstraßen cruisen. „Fast forward“ lief um Mitternacht an meinem 50sten – das perfekte Motto für die nächsten zehn Jahre und für´s Not too old-Magazin.
Playlist zum Mixtape von THiLO Petry-Lassak
Linktipps
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Lieber THiLO, vielen Dank für diesen bunten Mix und die wundervollen Geschichten. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg mit deinen Büchern und den Superkutschen!
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Titelbild © Thilo Petry-Lassak