HomeLEBENGen-TalkDuzen und Siezen - wie macht man es richtig?

Duzen und Siezen – wie macht man es richtig?

Immer, wenn wir in Fernsehfilmen oder Serien den etwas holprigen Gesprächen folgen, dann wird deutlich, dass es kein Du und Sie in der englischen Sprache gibt. Und so müssen die Menschen sich über das Duzen und Siezen auch keine Gedanken machen. You ist die Anrede. Punkt. Bei uns könnte man ganze Bücher füllen, wie es Knigge ja auch schon getan hat. Was ist aber, wenn wir uns mit 50plus jung fühlen und plötzlich von anderen gesiezt werden? Wir bringen Licht in das Anrede-Dunkel.

Duzen und Siezen früher

Gucken wir aber erstmal zurück. Als wir Kinder waren, haben wir ältere Menschen gesiezt. Und das galt nicht nur für die Eltern schon unseren Schulfreunden, sondern auch für Lehrer in der Schule. Da wurde kurz aufgestanden und mit einem Chor von „Guten Morgen, Herr Winter“ in den Unterricht gestartet. Junge Menschen haben auch später im Job die älteren Kollegen erst dann geduzt, wenn die ihnen dieses „Du“ angeboten haben. Oft war das sogar ein recht feierlicher Moment. Zum Beispiel bei den Eltern der Freundin. Beziehungslevel 2 sozusagen.

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© Gerd Altmann (Pixabay)

Duzen und Siezen heute

Seit ich um die Jahrtausendwende in die digitale Medienbranche eingestiegen bin, habe ich das „Du“ als Anrede kennengelernt. Sicherlich wurde es zuerst geprägt von hippen Startups und jungen Agenturen, in denen auch die Vorgesetzten wie selbstverständlich mit dem Vornamen angesprochen wurden. Aber heute gilt diese Regel beim Duzen und Siezen auch in DAX-Konzernen und großen Unternehmen. Das „Du“ steht für einen guten Zusammenhalt und Teamspirit. Lediglich der Vorstand oder höchste Führungspositionen werden mit „Sie“ angesprochen – und damit vom Rest auch ganz klar abgegrenzt.

Nachteile von „Du“

Nähe und Verbundenheit im Team ist super, wenn alles rund läuft. Wie sieht es aber aus, wenn es Kritik zu äußern gibt? Dann kann die fehlende Distanz zum Problem werden. Und auch Führungskräfte kommen zuweilen in Schwierigkeiten, wenn sie Mitarbeiter kritisieren oder maßregeln, weil sie durch das freundschaftliche „Du“ zu nah dran sind.

Welche Regeln gibt es?

Grundsätzlich ist bezüglich Duzen und Siezen das förmliche „Sie“ zu wählen, wenn man Menschen noch nicht besonders gut kennt. Das gilt für Erwachsene in jedem Alter. Abweichen von dieser Regel kann man, wenn man mit der Person verwandt ist, wenn man sich schon auf das „Du“ verständigt hat, wenn man sich nach Mitternacht an einer Bar begegnet – oder bei Starbucks einen Kaffee kauft. Das funktioniert altersunabhängig immer über den Vornamen. Amerikanisch eben. Und somit dürften das in Deutschland mehr Leute falsch als richtig finden.

Duzen und Siezen - bei Starbucks keine Frage
© Alex Moiseev (Unsplash)

Halten wir fest: wenn Kinder und Teenager einen Erwachsenen Siezen, ist das in Ordnung. Sobald sie selbst Erwachsen sind, sollte kein Gefälle mehr erzeugt, sondern sich auf Augenhöhe begegnet werden. Das heißt, beide sagen „Du“ oder „Sie“. Klingt für viele wahrscheinlich komisch, ist aber so.

Die Älteren oder Ranghöheren müssen zuerst das „Du“ anbieten. Also der Chef dem Mitarbeiter, der Lehrer dem Schüler oder der Senior dem Junior. Da sollten man sich auch laut Benimmregeln nicht drüber hinwegsetzen.

Die Realität

So, nach der Theorie nun mal die ehrliche Praxis: fühlen wir uns nicht eigentlich plötzlich sehr alt, wenn wir von jungen Menschen plötzlich mit „Sie“ angesprochen werden? Mir geht es so. Ich bin bald 50 und wurde bisher beruflich und privat kaum gesiezt. In der letzten Zeit passiert es aber immer häufiger. Wahrscheinlich sehe ich mit Brille und Glatze unter der Maske für viele auch noch einen Tick älter aus, eher wie ein „Baby Boomer“ als die Gen X. Und das entspricht dann dem, wie das Duzen und Siezen in Wirklichkeit bei uns gehandhabt wird:

Siezen tut man Leute, die deutlich älter sind als man selbst. Also Rentner. Da gehört es sich, nicht gleich mit dem frechen „Du“ um die Ecke zu kommen. Bei allen anderen ist es der schmale Grat zwischen Höflichkeit, Distanzlosigkeit und „als alt abstempeln“.

Eine mögliche Lösung

Ein Kompromiss für das Duzen und Siezen ist das sogenannte „Hamburger Sie“. Dabei wird das gegenüber zwar mit dem Vornamen angesprochen, aber auch mit dem „Sie“. Das hört sich dann so an: „Kai, können sie mal bitte…“.
So umgeht man das sehr distanzierte nennen des Nachnamens, bleibt aber trotzdem auf Distanz. Und das ist eine Lösung, mit der wir im Alter auch gut klarkommen, weil eben der Vorname für die Ansprache genutzt wird. Grundsätzlich dürft ihr aber nicht von der Anrede darauf schließen, für wie alt euch euer Gegenüber hält. Wahrscheinlich ist es einfach eine Frage des Respekts.

Noch einfacher wäre natürlich, wenn wir auch das YOU hätten. Dann bräuchten wir gar nicht mehr drüber nachdenken…

Titelbild © Andreas Semerad (Shutterstock)

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel (Jg. 1971) lebt als Patchwork-Papa mit der Familie in Hamburg. Neben NOT TOO OLD betreibt er auch das Väter-Magazin Daddylicious. Außerdem ist er Experte für Influencer-Marketing. Bisher hat er bereits fünf eigene Unternehmen gegründet, schreibt für diverse Print- und Online-Magazine, tritt als Speaker und Moderator auf und betreibt zu diesem Magazin auch einen Podcast. Nach Feierabend entspannt er beim Laufen oder Golf.

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