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Einmal den New York City Marathon mitlaufen

Ein Gastbeitrag von Lars Wirnhier

Gerade fliege ich über den großen Teich in Richtung Heimat. Eigentlich mache ich das überhaupt nicht gerne und schon gar nicht jetzt mit einem geschwollenem rechten Bein. „Hat es sich gelohnt?“ Diese Frage schwirrt mir durch den Kopf, beantworten kann ich sie mir jetzt noch nicht. In leiser Ahnung, dass es doch eine lohnende Reise war, aber vielleicht sollte ich ein Stück zurückspulen, denn begonnen hat eigentlich alles vor über 22 Jahren mit einem ähnlichen Flug.

Damals, es war gerade 1999 im September, bin ich aufgebrochen, für gut ein halbes Jahr ein Praktikum in den USA anzutreten, genauer in New York. Eine Stadt mit vielen Wiedersprüchen, abstoßend und zum Verlieben zugleich. Und ich habe trotz dass ich da nur ein gutes halbes Jahr gelebt habe, mich in diese Stadt eingelebt, ein Stück drin verliebt und kann jetzt sagen, obwohl ich da nicht auf Dauer leben möchte, es ist doch so als wäre ich nach Hause gekommen.

Erster Kontakt zum New York City Marathon

Ich habe dort als Ergänzung zu meinem Studium gearbeitet und die Wochenenden genutzt Manhattan unsicher zu machen. Ein bisschen als Tourist aber auch ein Stück als New Yorker, als jemand, der eben dort lebt. Im November 1999 begann der erste Teil, der nun zu dieser unglaublichen Reise geführt hat. Ich war einen Sonntag auf dem Weg in den Central Park, viele Straßen waren abgesperrt, wie so oft bei Paraden oder anderen Veranstaltungen. An der 59sten Straße, auf der Ecke des Columbus Circle, haben wir Skater gesehen, gefolgt von Läufern. Der New York City Marathon, toll, ein magischer Moment.

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© Spencer Imbrock (Unsplash)

Wie magisch dieser aber erst werden würde, stellte sich dann im März 2000 heraus. Ich war nie unsportlich, habe einige Sportarten in meiner Jungend ausprobiert, doch während des Studiums war außer ein bisschen Inline-Fussball nicht viel los, es fehlte die Gelegenheit. Aber einmal im Central Park skaten, das wollte ich schon erleben, daher hatte ich mich dafür mit einer ebenfalls in New York lebenden Berlinerin verabredet, mit der ich im November an der Marathon Strecke stand.

Wir also los, das Wetter war gerade so für zwei recht unerfahrene Skater in Ordnung, also haben wir uns auf den hügeligen Kurs begeben. Nach einer Runde saßen wir wieder am Columbus Circle, zogen uns die Skates aus, als sie meinte: „das waren 10 km“. Und ich meinte: „Was, das ging doch relativ locker, da braucht man ja nur ein bisschen trainieren und könnte dann den Marathon mitskaten“.

Mein erster Marathon auf Skates

Dieser Moment hat in mir gearbeitet, ein Jahr später, allerdings in Berlin, bin ich meinen ersten Inline-Skating-Marathon geskatet. Seit 2001 sind es nun 21, ohne Unterbrechung jedes Jahr in Berlin.

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© wal_172619 (Pixabay)

2010 habe ich mich zum ersten Mal für einen Laufmarathon angemeldet, bin dort vier mal an den Start gegangen, bis der Arzt mir vom Laufen abgeraten hat. Bis zu 10 km wäre das alles noch in Ordnung, doch mehr macht meine Hüfte nicht mit. Da ich bereits, durch einen aufgegebenen Marathon, den Triathlon ebenfalls für mich entdeckt hatte, bin ich die Jahre danach in Berlin geskatet und in Hamburg durch die Alster geschwommen, habe am Hafen in die Pedale getreten, um am Ende noch mal die Alster halb zu umlaufen.

Bei vielen dieser tollen Events, bei denen ich mir regelmäßig gesagt habe, du kannst jeder Zeit aufhören und musst dir das nicht antun, hat mich meine Frau begleitet. Sie hat so viele Stunden unter den Zuschauern gestanden, hat mich angefeuert und hat mir immer die Kraft gegeben, nicht einfach stehen zu bleiben. Sie hat selber nicht viel von Sport gehalten, hat immer ein bisschen was gemacht, aber eigentlich nie so richtig.

Meine Frau startet die Lauferei

In einem Dänemark Sommer-Urlaub, es war noch ausreichend bis zum September, dem festen Inlineskating-Termin in Berlin, wollte ich auch im Urlaub mein Lauftraining fortsetzen und kündigte an, dass ich wohl morgens vor dem Frühstück eine Runde drehen würde, damit wir am Tag gemeinsame Unternehmungen nicht wegen meines Sports unterbrechen müssten. Die Antwort meiner Frau war, dass sie vielleicht den einen oder anderen Morgen ein Stück mitlaufen würde.

Aus einer Morgenrunde sind dann gleich tägliche Morgenrunden geworden, ich habe mich in meinem Tempo gezügelt und ganz entscheidend, ich habe nicht an ihr herumgemäkelt. Nach der samstäglichen Rückkehr haben wir am Sonntag einen etwas längeren Lauf angeschlossen und irgendwie hat sich das ergeben, dass wir so einige Wochen morgens vor der Arbeit gemeinsam zwei bis drei Kilometer locker gejoggt sind.

Im Oktober 2019 war es dann soweit, bei einem dieser fünf Kilometer Sonntagsläufe, sagte sie, dass sie gerne einen Marathon laufen würde. Bis dato war sie noch nicht über fünf Kilometer im Stück gelaufen. Ich hatte allerdings irgendwann einmal erwähnt, dass jeder auf einen Marathon trainieren könne, solange keine gravierenden körperlichen Einschränkungen vorlägen. Ich war davon überzeugt und kannte auch Beispiele. Die Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens untermauerte sie auch gleich ein paar Hundert Meter weiter, indem sie ergänzte, dass sie ihr erster Marathon dann bitte aber auch der New York City Marathon sein sollte.

Bäm!

Jetzt hatte ich gleich mehrere Probleme. Jetzt musste ein Plan her für das Training, ein Startplatz in New York und wenn sie den New York City Marathon läuft, dann wollte ich trotz meiner angeschlagenen Hüfte diesen auch mitlaufen.

Lars Wirnhier beim New York City Marathon 2022
© Lars Wirnhier

Soll ich all die Zeit ausschmücken, das wäre Quatsch, dir lieber Leser, liebe Leserin ist ja längst klar, dass wir diese Traumreise angetreten sind, sonst säße ich jetzt nicht auf dem Rückflug. Die Schnellzusammenfassung ist, dass wir von diesem Sonntagslauf an weiter regelmäßig gelaufen sind, zunächst ohne den Marathon als Ziel noch mal zu erwähnen. So etwas kann eine fixe Idee sein und wenn man genauer drauf schaut, dann verpufft es. Als sich nach drei Monaten diese Idee jedoch gefestigt hatte, sind wir in die Planung übergegangen. Training, Geld für die Reise zur Seite legen und Recherche, wie kommt man an einen Startplatz.

Das Ergebnis sind zwei wahnsinnig hart erlaufene Medaillen, deren Wert durch den Aufwand, die Erlebnisse der Reise und den Eindrücken des Big Apple einen so unschätzbaren Wert haben.

Ich hatte mich zu entscheiden, wenn ich für diesen New York City Marathon noch einmal trainieren möchte, wie ich laufen will. Möchte ich den einfach laufen und mit meiner Frau zusammen genießen oder möchte ich nochmal versuchen, meine beste Zeit, die ich vor neun Jahren in Hamburg gelaufen bin, zu toppen. Damals hatte ich meine Zeit, auf die ich trainiert hatte, knapp um 17 Sekunden verpasst.

Jagd nach der persönlichen Bestzeit

Nach drei Jahren Training habe ich mich, nach einigen Höhen und Tiefen, dafür entschieden, meine Zeit noch einmal in Angriff zu nehmen. Die letzten zwei Trainingswochen mussten komplett in Manhattan stattfinden. Darauf war ich gespannt. Einen Tag nach der Ankunft sind wir gemeinsam ganz früh um 6:00 Uhr in den Central Park, der tatsächlich um diese Zeit noch sehr leer war.

Auf dem Trainingsplan standen 1,5 Stunden, das wären eine große und eine kleine Runde im Park gewesen, spontan sind wir zwei mal um das Reservat im Park gelaufen, eine unglaubliche Kulisse. So taten sich die letzten Tage vor dem großen Lauf schon mal gut an. Doch dann fing sich meine Frau einen Schnupfen ein, keine weitere Komplikationen, aber Trainingsausfall und Bedenken, den Lauf zu laufen.

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© Lars Wirnhier

Ein letztes Training habe ich dann vom Battery Park gestartet, morgens hatten wir unsere Startnummern abgeholt und ich war bereits so voller Vorfreude, ich habe noch eine lockere Stunde Training absolvieren wollen. Ich habe mich auch von anderen Läufern anstecken lassen und habe prompt übertrieben, zumindest signalisierte mir das mein rechtes Schienbein, dass ich mir wohl eine Entzündung eingehandelt hatte. Ein allerletztes Warm Up am Tag vor dem Lauf habe ich mir folglich gekniffen.

Start mit Vorbelastungen

Wir sind also vorbelastet in den Start gegangen. Mit der South Ferry haben wir nach Staten Island übergesetzt. Dieses auf Grund unserer Startzeiten und unterschiedlichen Ambitionen jedoch zu unterschiedlichen Zeiten. Im Nachhinein muss ich sagen, ich hätte die Möglichkeit gehabt mich down zu graden und hätte mit meiner Frau zusammen starten sollen. Letztlich war es vor allem am Ende so eng, dass es egal gewesen wäre, wann ich starte. Aber so sind wir nun jeder mit sehr unterschiedlichen Starts und Läufen auf der Strecke gewesen. Die Eindrücke waren dennoch sehr gleich, denn diese Stimmung und die Strecke waren ja identisch.

Ich habe meine Zeit nicht erreichen können, die Schmerzen durch die Vorentzündung waren am Ende so stark, dass ich vier Minuten verloren habe. Was letztlich ein selbst verursachter Schmerz ist, ich hätte mir neun Jahre nach meinem letzten Marathon ein angenehmeres Ziel setzen können. Viel stärker habe ich ohnehin mit meiner Frau mitgefiebert. Ich bin morgens aus dem Hotel ohne zu wissen, wie sie sich an diesem Morgen entscheiden würde.

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© Lars Wirnhier

Sie ist am Samstag früh fünf Kilometer alleine an der Promenade ihren ersten Lauf nach dem Schnupfen gelaufen, der war auch nicht besonders vertrauensschenkend. Aber sie hat sich am Sonntag für den Start entschieden, was ich nach einem ewigen Gehumpel im Zielbereich über eine SMS erfahren habe. Aus Deutschland kam die Meldung, sie hätte gerade den Halben passiert.

Ich hatte von meinen drei eingeplanten Stunden bereits viel Zeit verschenkt, doch ich musste unbedingt zurück ins Hotel, duschen und zurück zum Columbus Circle, dort wollte ich sie sehen. Also Richtung Down Town, gefühlt fuhr nur kein Zug in diese Richtung, wenn man es eilig hat eben. Hotel, 15 Minuten zum Duschen, Umziehen und ein paar Nachrichten verschicken und schnell wieder losgehumpelt.

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© Lars Wirnhier

Am Zielbereich angekommen war erst einmal kein WLAN zur Verfügung, also über Deutschland via SMS über den Stand kommuniziert, nein, sie war noch nicht drin. Eine kurze Verbindung ins Internet hat das Tracking über die Marathon App aufgefrischt, einen Knick noch, dann ist sie am unteren Ende vom Central Park, ungefähr acht Minuten müssten das sein. Leicht verschätzt, doch dann kam sie nach zwölf Minuten fast locker flockig um die Ecke getrabt.

Happy wife

Was soll ich sagen, ich habe meine Zeit nicht geschafft, sie hat ihr Ziel besser gesetzt und erreicht, sie ist ihren ersten Marathon gelaufen. Und dann gleich den New York City Marathon. Das war ein ganz hohes Ziel, was sie geschafft hat. Gut, auch sie hat mit ihren Oberschenkeln zu tun, aber das ist ein leichter Muskelkater, sie spaziert am Tag danach weiter munter durch Manhattan, während ich versucht habe, alles raus zu holen und jetzt mit schmerzendem dicken Bein im Flugzeug diesen Bericht schreibe. Am eigenen Ziel gescheitert, aber doch oberglücklich. Ich kann mit einer wahnsinnigen Erfüllung sagen, dass wir den New York City Marathon gelaufen sind.

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© Tong Su (Unsplash)

Tipps zur Vorbereitung

Wer sich für einen Startplatz beim New York City Marathon interessiert, hat verschiedene Möglichkeiten:

Qualifikation

Es ist möglich, sich durch andere Marathon Läufe sich für seine Altersklasse zu qualifizieren. Ich weiß, dass für meine Altersklasse (50) eine Zeit von 3:15 von Nöten gewesen wäre. Die genauen weiteren Bedingungen kenne ich nicht.

Lostopf

Man kann sich für eine Startplatzverlosung anmelden.

Reise mit Startplatz

Da wir die Qualifikation gar nicht erst probieren wollten, zum einen wegen der Zeiten aber auch darum, weil meine Frau ihren ersten in New York laufen wollte, sind wir auf diese Möglichkeit ausgewichen. Bei speziellen Sportreiseveranstalter kann man eine Reise nach New York inklusive Startplatz buchen. Die haben allerdings eine begrenzte Anzahl an Startplätzen, also wer das vor hat, sollte früh buchen, bereits zu Jahresbeginn. Oder sich davor schon mal vormerken lassen.

Startplatz durch Volunteer Job

Wer sich als ehrenamtlicher Helfer meldet, der kann auch über diesen Weg einen Startplatz bekommen. Das ist eher etwas für die Amerikaner oder eben für Menschen, die öfter im November in New York sind.

New York Road Runners

Die wahrscheinlich teuerste Variante ist die Mitgliedschaft in diesem Club. Die NYRR ermöglichen soziale Projekte, vor allem in New York, viele für Kinder. Dort kann man Mitglied werden, wird aber eine Menge Geld spenden müssen, um die NYRR zu unterstützen, als Dank gibt es einen Startplatz beim New York City Marathon.

Egal, wie ihr es anstellt, für laufbegeisterte Menschen ist der Marathon in dieser Stadt ein einmaliges Erlebnis.

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel (Jg. 1971) lebt als Patchwork-Papa mit der Familie in Hamburg. Neben NOT TOO OLD betreibt er auch das Väter-Magazin Daddylicious. Außerdem ist er Experte für Influencer-Marketing. Bisher hat er bereits fünf eigene Unternehmen gegründet, schreibt für diverse Print- und Online-Magazine, tritt als Speaker und Moderator auf und betreibt zu diesem Magazin auch einen Podcast. Nach Feierabend entspannt er beim Laufen oder Golf.

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