HomeKÖRPERGesundheit10 gängige Schmerzen beim Radfahren und wirksame Gegenmittel

10 gängige Schmerzen beim Radfahren und wirksame Gegenmittel

Der Frühling steht vor der Tür. Und somit macht es Sinn, den Drahtesel in Kürze fit für die nächste Saison zu machen. Aber wie sieht es denn mit dem eigenen Zustand aus? Wer über Winter einrostet, dem blühen bei den ersten Kilometern verschiedenste Schmerzen beim Radfahren. Denn es gibt ein paar markante Punkte, die besonders beansprucht werden. Damit die ersten Runden auf dem Bike zum spaßigen Erlebnis werden, sind hier ein paar der gängigsten Wehwehchen all derer, die verstärkt in die Pedale treten.

Die handfesten Tipps für den Trip auf zwei Rädern stammen vom Fahrrad-Ergonomiespezialisten Dr. Kim Tofaute, zu finden unter fitting-expert.de. Er hat den medizinischen Blick auf das Rad und hat die zehn am meisten verbreiteten Schmerzpunkte für den pressedienst-fahrrad zusammengefasst.

1) Genital- und Poschmerzen

Auch wenn ihr die Tour de France nur im Fernsehen verfolgt und eure täglichen Ausfahrten mit dem Fahrrad sich auf das Pendeln zum Job oder die Ausfahrt ins Grüne beschränkt, hattet ihr bestimmt schonmal Schmerzen beim Radfahren oder nach einer Tour im Genital- und Gesäßbereich. Das verwundert gar nicht, denn der kleine Sattel muss euer ganzes Gewicht tragen und scheuert dann auch noch hin und her. Tatsächlich gewöhnt sich der Körper im Laufe der Zeit an diese Belastung, aber gerade zum Start in die Freiluftsaison und die ersten Touren sind Poschmerzen bei vielen Radfahrern obligatorisch. Sollten sich die Beschwerden im Verlauf des Jahres nicht ändern, dann macht eine Überprüfung des Sattels und der Sitzposition durch einen Experten viel Sinn.

„Dass der von vornherein verbaute Sattel auch passt, ist ein Glücksspiel. Die Investition in einen neuen Sattel ist deshalb immer zu überlegen. Bei Schmerzen im Genitalbereich lohnt sich beispielsweise ein Sattel mit Entlastungszonen und Aussparungen“

Dr. Kim Tofaute

Wenn ihr vor dem Kauf eines Fahrrades steht, dann berücksichtigt bei der Entscheidung auf jeden Fall auch Form, Größe, Geschlecht und Fahrstil. Ein paar schnelle Tipps hat der Profi aber auch direkt am Start. Er empfiehlt, auf der Ausfahrt auch mal aus dem Sattel zu gehen und den Hintern zu entlasten. Und dann legt er das Augenmerk auch auf de Auswahl passender Kleidung. Denn aufgrund ihrer Nähte können gerade die beliebten Jeans auf langen Touren zu Reibungen führen. Besser sind Radhosen oder wenigstens Sportunterwäsche ohne Nähte. Dann scheuert und drückt nichts.

Ein falscher Sattel kann Schmerzen beim Radfahren auslösen.
© Nicky (Pixabay)

2) Rückenschmerzen

Direkt über dem Hintern gehört der Rücken ebenfalls zu den Angriffspunkten für Schmerzen beim Radfahren. Auch hier führen meist längere Touren auf dem Rad zu Problemen. Dazu sagt Experte Dr. Kim Tofaute: „Der Körper muss sich auf anfänglich ungewohnte Belastungen einstellen. Also lieber häufiger fahren und Pausen machen, als gleich mit einer Gewalttour starten“.

Hilfreich für die Vermeidung von Rückenschmerzen auf den Rad ist ein gerader Rücken und eine entspannte Haltung: „Es lohnt sich, die Einstellung des Rades zu überprüfen. Oft sind es nur kleine Punkte, die geändert werden müssen. Dabei unterstützen Video-Tutorials oder spezielle Tools, wie zum Beispiel die Fitting-Box“, so der Experte. Auch hier kann bereits auf der Tour durch kleine Pausen, Entspannungszeit oder leichte Rückenübungen für Linderung gesorgt werden.

3) Nackenschmerzen

Vielleicht habt ihr auch schon durch Sofazeit oder wenig geeignete Stühle am Arbeitsplatz oder im Büro mit dem Nacken zu tun. Denn gerade bei sitzenden Tätigkeiten ist der Nacken ein Problemfall. Damit das nicht auch zu Schmerzen beim Radfahren führt, sollte der Nacken regelmäßig entspannt werden: „Eine Nackenmassage oder spezielle Gymnastik abseits des Rades bewirkt schon erste Besserung“, sagt der Experte.

Wer die Griffposition am Lenker ändert oder regelmäßge Pausen einlegt, der kann schon auf der Tour für Abhilfe sorgen. Probleme können aber auch durch den Fahrradhelm auftreten: „Wenn der Helm nicht richtig passt, hält man den Kopf unbewusst schief, was schlecht für den Nacken ist.“ Für den Start in die Saison bei noch etwas kühleren Temperaturen kann laut Dr. Tofaute ein Halstuch oder ein dünnerer Schal dafür sorgen, dass Zugluft minimiert wird und der Nackenbereich nicht auskühlt. Auch das minimiert die Gefahr von Nackenschmerzen auf dem Rad.

4) Taube Hände

Neben dem Hintern sind die Hände der zweite „Touchpoint“ auf dem Fahrrad. Sollte auf die Hände zu viel Druck ausgeübt oder das Handgelenk abgeknickt werden, dann besteht die Gefahr, dass die Hände und Finger während der Radtour taub werden. Und bei den älteren Bikern kommt mit zunehmendem Alter als Problem das Karpaltunnelsyndrom dazu, welches ebenfalls zur einem Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Händen und Fingern führen kann. Der Experte rät: „Um die Problembereiche zu stärken, bietet sich Fitnesstraining wie Yoga oder Gymnastik an. Jeden Tag eine Übung kann schon helfen“.

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© RODNAE Productions (Pexels)

Für schnelle Hilfe und Verbesserung ist seine Empfehlung ein Wechsel zu ergonomischen Griffen mit einer größeren Auflagefläche und Hörnchen für unterschiedliche Griffpositionen. „Auch sollte man über einen Lenkertausch nachdenken. Viele Trekkingbikes haben sportliche Mountainbike-Lenker. Ein etwas gebogenerer Lenker sorgt dafür, dass Druck von den Händen genommen wird.“ Zur Vermeidung von Schmerzen beim Radfahren sind außerdem gepolsterte Handschuhe eine Option. Die schützen die Hände auch bei einem Sturz.

5) Knieschmerzen

Auch wenn auf den Beinen beim Radfahren nicht so viel Druck oder Gewicht lastet, wird das Knie durch das Treten extrem beansprucht. Laut Dr. Tofaute sind Knieschmerzen allerdings in der Regel eine Einstellungssache: „Speziell viele E‑Biker:innen haben den Sattel falsch eingestellt und sitzen zu tief. Ein richtig eingestellter Sattel sorgt dafür, dass der Druck auf die Knie minimiert wird“. Für eine schonendere Kraftübertragung und eine bessere Standfläche empfiehlt er möglichst breite Pedale und feste Schuhe als Kombination. Und als schnellen Tipp rät er zu einer hohen Trittfrequenz bei leichten Gängen anstatt den nötigen kraftvollen Tritt in den schweren Gängen.

6) Muskelkater

Der Muskelkater meldet sich nicht unbedingt immer erst nach der Tour, manchmal melden sich die Muskeln auch schon mit Schmerzen beim Radfahren. Dann fällt das Treten schwerer und die Oberschenkel fangen an zu brennen. Den Höhepunkt erreichen die Muskelprobleme trotzdem meist erst am nächsten Tag. Experte Dr. Kim Tofaute kennt dafür zwei Begründungen: Zuerst einmal überschätzen sich viele Freizeitradler bei ihren Touren. Das führt dann zu einer Übersäuerung in den Muskeln. Und der zweite Grund für die Schmerzen sind die Belastungen, die der Körper mangels Bewegung noch nicht gewohnt ist.

Beides wird durch häufige Nutzung des Drahtesels jedoch beseitigt, denn so setzt ein Trainingseffekt ein. Der Profi rät zu einem langsamen Herantasten: „Zwischendurch auch während der Fahrt einmal die Beine lockern und bei Pausen dehnen oder hochlegen. Auf gute Regeneration nach der Tour achten. Auch beginnt man bei Überanstrengung stark zu schwitzen. Dagegen hilft viel zu trinken, um so für eine gute Durchblutung zu sorgen.“

7) Taube Füße

Die Füße werden auf dem Fahrrad recht gut durchblutet. Und laut Doktor Tofaute führen meist falsche Schuhe zu tauben Füßen. Darüber hinaus können durch zu kleine Schuhe auch Druckstellen entstehen: „Füße schwellen während der Fahrt etwas an. Nachschnüren lohnt sich deshalb oder die Schuhe während einer Pause ausziehen und so die Durchblutung fördern“, sagt Tofaute. Und für die Biker, die zu kalten Füßen neigen, hat er einen ganz handfesten Insider-Tipp: „Frischhaltefolie um die Fußspitzen oder ein bisschen Zeitung im Schuh sorgt dafür, dass die Füße nicht so schnell auskühlen“.

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© Rehook Bike (Pexels)

Wer insbesondere an den Füßen zu Schmerzen beim Radfahren neigt, der könnte zur besseren Kraftübertragung und Entlastung der Füße ergonomische Fahrradschuheinlagen verwenden oder sogar auf Klickpedalen umsteigen, für die es spezielle Einstellhilfen gibt. „Taube Füße können aber auch auf eine zu stark geneigte Sattelnase zurückgehen. Daraus resultiert eine ungeeignete Hüftstellung, wodurch die Nerven komprimiert werden.“ Und nicht zuletzt kann auch eine falsche Sitzhöhe zu Problemen im Bereich der Füße führen.

8) Beckenschmerzen

Noch fehlen in unserer Top 10 der Schmerzen beim Radfahren tun die Beckenschmerzen. Für die gibt es unterschiedliche Ursachen. Entweder drückt der Sattel zu stark in die Weichteile oder das Becken wird beim Treten verdreht. „Deshalb ist es wichtig, dass die Sitzposition stimmt. Nicht nur in der Höhe, sondern auch die Sattelneigung muss passen“, so der Experte. Gerade nach dem langen Winter sind auch viele Radfahrende einfach zu „hüftsteif“.

Da kann allerdings recht einfach mit Dehnübungen und Gymnastik gegengearbeitet und die Muskulatur gestärkt werden. „Tägliches Dehnen von zwei Minuten ist dabei ausreichend. Das kann jede:r zu Hause machen.“ Auf einer Radtour können auftretende Beckenschmerzen durch Pausen oder Dehnübungen behandelt werden. Wenn es chronisch wird, hilft der Gang zum Doc.

9) Unspezifische Schmerzen

Manchmal fühlt man sich bei körperlichen Anstrengungen auch einfach schlapp und spürt Schmerzen, kann den genauen Punkt aber gar nicht ganz genau orten und hat auch keine Idee, woher dieses Unwohlsein rührt. Auch dafür gibt es einen Tipp: „In diesem Fall sollte man darauf achten, dass man während der Tour genügend isst und trinkt“, meint Tofaute.

Wenn diese Art von Problemen wiederkehren oder sogar bei jeder Tour mit dem Fahrrad auftreten, sollten die Schmerzen genau lokalisiert und am besten von einem Doktor untersucht werden. Schlimmstenfalls sind Schäden am Herz die Ursache sein, daher ist das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. „In so einem Fall bloß nicht auf Dr. Google hören“, warnt der Fachmann.

10) Ermüdung

Nach dem Winterschlaf des Bikes und der Winterpause in Sachen Bewegung und Workouts kann auf den ersten Touren nach dem Winter ein Punkt erreicht werden, an dem man nicht mehr weiterkommt und keine Kraft auf die Pedale bringt. Sportler:innen sprechen dann vom „Blaufahren“, der Körper ist so ermüdet, dass er keine Kraft mehr aufbringen kann. „Viele schätzen sich falsch ein und wissen nicht, wo die Grenzen liegen. Deshalb sollte man lieber mit kleinen Touren anfangen, Lockerungen und Pausen einplanen und dabei viele Kohlenhydrate wie Müsliriegel und Sportnahrung zu sich nehmen“, rät Tofaute.

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© Viktor Bystrov (Unsplash)

Aber auch die Intensität der Tour kann die Ermüdung nach hinten schieben. „E‑Biker:innen können beispielsweise eine andere Unterstützung wählen oder anders schalten, um einen anderen Trainingseffekt zu erzielen. Im Grund steht eines über allem: Spaß haben.“

Einen letzten Tipp gibt es von uns auch noch frei Haus, um den Schmerzen beim Radfahren vorzubeugen: Wer über Winter nicht aus der Form geraten und im Training bleiben will, der kann auch in den eigenen vier Wänden auf dem Sattel aktiv werden. Wir haben dazu mit dem Schwinn Bike ein supercooles Gerät vorgestellt, mit dem ihr auch durch sonnige Gefilde radeln könnt, wenn es draußen schneit und stürmt.

Zur Person

Dr. Kim Tofaute (Jg. 1971) studierte Sportwissenschaft an der Deutschen Sporthochschule in Köln und war von 1998 bis 2004 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. In dieser Zeit befasste er sich intensiv in einem Forschungsprojekt unter Leitung von Prof. Dr. Ingo Froböse mit dem Thema Ergonomie beim Radfahren. Anschließend übernahm er die Leitung der Produktentwicklungsabteilung bei Ergon, einem Hersteller von ergonomischen Komponenten wie Sätteln und Griffen. Mittlerweile leitet er sein eigenes Bikefitting-Studio, ist weiterhin in der Entwicklung von Ergon aktiv und war federführend bei der Entwicklung der Fitting-Boxen, die bei der ergonomischen Einstellung der Sitzposition helfen. Zusätzlich ist er ein erfolgreicher Langstrecken-Mountainbiker.

Titelbild © Вальдемар (Pexels)

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel (Jg. 1971) lebt als Patchwork-Papa mit der Familie in Hamburg. Neben NOT TOO OLD betreibt er auch das Väter-Magazin Daddylicious. Außerdem ist er Experte für Influencer-Marketing. Bisher hat er bereits fünf eigene Unternehmen gegründet, schreibt für diverse Print- und Online-Magazine, tritt als Speaker und Moderator auf und betreibt zu diesem Magazin auch einen Podcast. Nach Feierabend entspannt er beim Laufen oder Golf.

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