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Not too old zum Gründen: Durchstarten mit 50plus

Ein Gastbeitrag von Mona Wiezoreck

Jung, dynamisch, erfolgreich? Wie wäre es stattdessen mit: „Älter, erfahrener und ich weiß, was ich will?“ Mit so wenigen Worten lässt sich zusammenfassen, warum Männer mit 50plus nicht zu alt für eine Firmengründung sind, sondern beste Chancen haben, als Selbstständige durchzustarten und ein eigenen Unternehmen zu gründen.

Wenn der Karriereweg endet, beginnt ein neuer

Seit Jahrzehnten arbeitet der Experte für Herstellungsverfahren in einem Schweizer Industrieunternehmen, wird Mitglied der Geschäftsleitung, ist verantwortlich für das Innovations-Management. Dann gibt es Uneinigkeit über die Unternehmensstrategie – und plötzlich ist Schluss, er muss gehen. 51 Jahre ist der Schweizer Hans-Ulrich Siegenthaler alt, als das passiert. Für den Familienvater ein Schock. Doch statt sich auf Stellensuche zu begeben, macht er sich in derselben Branche selbständig – mit Erfolg.

Der Senior-Entrepreneur ist mit seiner Geschichte nicht allein. Ähnlich ergeht es Rainer Widemann in Österreich, der mit 53 seine Beratungsfirma gründet, um einer Kündigung zuvorzukommen. Andere besinnen sich ihrer gereiften Kompetenz erst nach einem frustrierenden Bewerbungsmarathon und machen sich dann selbstständig: Der 64-jährige Schreiner, der heute im Großraum Köln Reparaturdienste für Senioren anbietet. Ein IT-Experte, der Firmen im Bereich Datenschutz berät. Ein Betriebswirt, der mit seinem Sohn eine kleine Manufaktur übernommen hat. Keiner davon hat die Entscheidung bereut.

Warum Männer über 50 als Gründer erfolgreich sind

Die Motive von Senior Entrepreneuren sind unterschiedlich: Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, gesellschaftliche Wirkung – und in manchen Fällen die Notwendigkeit, nach einem Jobverlust eine neue Perspektive zu schaffen.

Tatsächlich zögern viele Unternehmen, Bewerber über 50 einzustellen. Sie sind angeblich zu teuer, zu unflexibel, zu wenig „digital fit“. Die Realität sieht anders aus, wie aktuelle Studien und Fallbeispiele belegen: Deutsche Gründer sind im Schnitt über 40, und das mittlere Alter der „High Performer“ liegt einer amerikanischen MIT-Studie zufolge bei stolzen 45 Jahren – selbst bei Tech-Start-ups. Die erfolgreichsten Gründungen entstehen immer öfter im „zweiten Berufsleben“. Mit dem Alter steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit sogar: Ein 50-jähriger Gründer ist in den USA 2,8-mal erfolgreicher als ein 25-jähriger Gründer.

Warum ist das so? Ältere Gründer kennen ihre Branche, haben Krisen gemeistert und verfügen über ein belastbares Netzwerk. Sie denken strategisch und planen realistisch. Viele haben ein gutes finanzielles Fundament und gründen aus Überzeugung.

Die Annahme, dass Innovation nur von jungen Menschen kommt, ist ohnehin falsch. 50-Plus-Gründer haben einen anderen Zugang zur Einführung von Neuerungen: Sie lösen Probleme mit Weitblick, Erfahrung und Bodenhaftung – und das ist nach meiner Erfahrung oft die nachhaltigere Form von Innovation.

Herausforderungen? Ja. Aber lösbar.

Tatsächlich gibt es häufig Defizite in den Bereichen Marketing, Kundenakquise, Digitalisierung und IT. Aber all das sind Themen, die sich gezielt aufbauen lassen – mit Hilfe von Schulungen, Tandem-Lösungen oder individueller Begleitung. Schließlich muss selbst ein Solo-Entrepreneur nicht alles selbst machen. Auch ein gutes Netzwerk hilft. Ich sehe viele, die sich digitale Tools aneignen, sich professionalisieren – und dabei ihre Erfahrung mit modernen Methoden kombinieren. Das ist eine enorme Stärke älterer Gründer.

Zu den Nachteilen, die manche mitbringen, gehören zu große Vorsicht und zu geringe Risikobereitschaft, gerne gepaart mit dem Wunsch, alles „richtig“ machen zu wollen. Besser ist: starten, schnell am Markt sichtbar werden – und wenn nötig nachbessern. Auch die Finanzierung bleibt für viele ein Thema – nicht, weil sie nicht kreditwürdig wären, sondern weil Banken oft schlicht nicht genau genug hinschauen. Viele Gründungswillige wollen zudem ihre Altersabsicherung nicht gefährden.

Für diejenigen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus gründen wollen, gibt es in allen Ländern des DACH-Raums Unterstützung von staatlicher Seite. Eine Beratung beim Amt und die gründliche Recherche weiterer Fördermöglichkeiten lohnen sich auf jeden Fall. In Deutschland ist der Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit die wichtigste Förderung.

Was du brauchst – und was du besser lässt

Deine Persönlichkeit, die Geschäftsidee, dein Fachwissen und dein Netz bilden das Fundament deiner Gründung. Alles Weitere baut darauf auf.

Doch bevor du durchstartest, solltest du dir ein paar zentrale Fragen stellen:

Bist du bereit, dich auf Veränderungen einzulassen – auch wenn sie unbequem sind? Als Selbstständiger musst du dir selbst den Spiegel vorhalten können. Gibt es einen echten Bedarf für dein Angebot? Kennst du deine Zielgruppe so genau, dass du ihr Problem auf den Punkt benennen kannst – und dich klar von der Konkurrenz abhebst?

Auch ein realistischer Blick auf deine Finanzen gehört dazu: Hast du Rücklagen für die Anlaufphase? Welche Fördermöglichkeiten kommen infrage? Und scheue dich nicht vor dem Businessplan – er ist kein bürokratischer Klotz, sondern dein Werkzeug zur Klarheit. Ein guter Plan zwingt dich, deine Idee zu durchdenken, Schwächen zu erkennen und dich am Markt zu positionieren: mit einer soliden Strategie für Vertrieb, Marketing und Finanzierung.

Wichtig ist auch: Du musst nicht alles allein können. Hol dir Know-how dort, wo du Lücken hast – sei es in der Buchhaltung, im Online-Marketing oder bei der Kundenakquise. Gründen ist kein Sololauf, sondern Teamwork – auch wenn du allein startest.

Und dann: Geh raus mit deinem Angebot. Warte nicht, bis alles perfekt ist. Der Markt ist der beste Test – und du wirst überrascht sein, wie gut Erfahrung und Klarheit bei Kunden ankommen.

Fazit

Es ist nie zu spät für den Sprung ins Unternehmertum. Alle Fakten zeigen: Erfahrung, Netzwerk und Klarheit sind deine größten Stärken. Egal ob aus Überzeugung oder als Antwort auf den verschlossenen Arbeitsmarkt – der Einstieg in die Selbstständigkeit lohnt. Die Unterstützung durch gezielte Förderprogramme und professionelle Beratung macht den Unterschied. Gründen ist ein Weg, kein Alleingang – und es ist nie zu spät, ihn zu gehen.

Über die Autorin

Mona Wiezoreck ist seit über 20 Jahren Unternehmerin und begleitet jährlich rund 200 Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit – praxisnah, motivierend und mit klarem Blick für das, was wirklich funktioniert. Mona Wiezorecks Buch „Gründen aus der Arbeitslosigkeit. Vom Rückschlag zum Aufschlag“ liefert fundierte Hilfestellung für alle, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen wollen – mit oder ohne Jobverlust.

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel (Jg. 1971) lebt als Patchwork-Papa mit der Familie in Hamburg. Neben NOT TOO OLD betreibt er auch das Väter-Magazin Daddylicious. Außerdem ist er Experte für Influencer-Marketing. Bisher hat er bereits fünf eigene Unternehmen gegründet, schreibt für diverse Print- und Online-Magazine, tritt als Speaker und Moderator auf und betreibt zu diesem Magazin auch einen Podcast. Nach Feierabend entspannt er beim Laufen oder Golf.

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