Wann bist du heute das letzte Mal richtig aufgestanden? Nicht nur kurz zum Kaffee holen oder aufs Klo, sondern wirklich bewusst vom Stuhl aufgestanden und herumgelaufen? Falls du jetzt ins Grübeln kommst, bist du in bester Gesellschaft. Der aktuelle DKV-Report 2025 liefert nämlich eine Zahl, die uns alle aufhorchen lassen sollte: 613 Minuten täglich verbringen wir Deutsche im Durchschnitt auf unseren Allerwertesten. Das sind über zehn Stunden und fast zwei Stunden mehr als noch vor einem Jahrzehnt.
Zehn Stunden! Da sitzen wir länger, als wir schlafen. Und während wir uns über die Gefahren des Rauchens oder übermäßigen Alkoholkonsums längst im Klaren sind, haben wir das Sitzen als Gesundheitsrisiko noch gar nicht richtig auf dem Schirm. Dabei sollten wir das dringend ändern.
Der tägliche Mix: Bürojob, Pendeln, Feierabend-TV
Schauen wir uns doch mal einen typischen Tag an: Morgens ins Auto oder in die Bahn (sitzen), acht bis zehn Stunden am Schreibtisch (sitzen), abends nach Hause fahren (sitzen) und dann zur Entspannung vor den Fernseher oder an den Computer (erraten: sitzen). Zwischendrin vielleicht noch schnell was gegessen, natürlich am Küchentisch sitzend.
Besonders wir Männer im besten Alter sind betroffen. In dieser Lebensphase haben viele von uns beruflich Verantwortung übernommen, arbeiten in Führungspositionen oder sind als Experten gefragt und somit in Jobs, die uns traditionell an den Schreibtisch fesseln. Gleichzeitig schleichen sich mit den Jahren körperliche Beschwerden ein: Der Rücken zwickt, die Knie werden steifer, und irgendwie fühlt man sich nicht mehr so beweglich wie früher.

Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln bringt es auf den Punkt: „Dieser gefährliche Trend muss dringend gestoppt werden. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel, der vom Sitzen wegführt und einen Alltag ermöglicht, in dem Bewegung erlaubt, unterstützt und sogar belohnt wird.“
Sitzfleisch mit tödlichen Folgen
Jetzt werden manche sagen: „Na und? Sitzen ist doch entspannend!“ Leider ist das ein fataler Irrtum. Die Zahlen des DKV-Reports sind alarmierend: 37 Prozent der Befragten weisen aufgrund ihres Sitz- und Bewegungsverhaltens ein erhöhtes Sterberisiko auf. Wenn man das mal ganz klar benennen möchte, dann heißt das: mehr als jeder Dritte von uns sitzt sich buchstäblich zu Tode.
Was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir stundenlang sitzen? Der Stoffwechsel fährt herunter, die Durchblutung wird schlechter, die Muskeln erschlaffen. Besonders die tiefliegende Rumpfmuskulatur, die für eine gute Haltung sorgt, wird schwächer. Die Folge: Rückenschmerzen, Verspannungen und auf lange Sicht ernsthafte gesundheitliche Probleme.
Studien zeigen, dass langes Sitzen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und sogar bestimmte Krebsarten erhöht. Unser Körper ist einfach nicht dafür gemacht, stundenlang in einer Position zu verharren. Wir sind evolutionär betrachtet immer noch Jäger und Sammler. Nur, dass wir heute hauptsächlich E-Mails, Termine und Fernsehserien „sammeln“.

Sport nach Feierabend reicht nicht
„Kein Problem“, denkst du dir vielleicht, „ich gehe ja abends ins Fitnessstudio oder joggen.“ Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber das reicht leider nicht aus. Nur 30 Prozent der „Vielsitzer“ schaffen es durch ausreichend körperliche Aktivität, das lange Sitzen zu kompensieren.
Das liegt daran, dass unser Körper auch auf kleine, regelmäßige Bewegungsimpulse angewiesen ist. Eine Stunde Sport am Abend kann die negativen Auswirkungen von zehn Stunden Sitzen nicht vollständig ausgleichen. Es ist ein bisschen wie beim Zähneputzen: Du würdest auch nicht den ganzen Tag Süßigkeiten essen und dann abends einmal kräftig schrubben.
Männer sitzen sich besonders ungesund
Besonders wir Männer sind übrigens schlecht darin, gesund zu leben. Laut DKV-Report erfüllen nur ein Prozent der Männer alle Kriterien für ein rundum gesundes Leben – im Gegensatz zu drei Prozent der Frauen. Wir sind also nicht nur Sitzweltmeister, sondern auch Gesundheitsmuffel.
Das zeigt sich auch beim Thema Bewegung: Während 68 Prozent der Befragten die Empfehlungen für ausdauerorientierte Bewegung erfüllen, schaffen nur 34 Prozent die WHO-Empfehlung für Muskeltraining – mindestens zweimal pro Woche. Und wer beide Empfehlungen kombiniert befolgt? Gerade mal 32 Prozent.

Der Teufelskreis: Sitzen macht unglücklich
Und jetzt wird es richtig perfide, denn langes Sitzen macht nicht nur krank, sondern auch unglücklich. Und wer unglücklich ist, bewegt sich noch weniger, ein fataler Teufelskreis. Der DKV-Report zeigt: Menschen, die sich regelmäßig zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegen und auch in der Freizeit körperlich aktiv sind, berichten von einem höheren subjektiven Wohlbefinden. Gerade mal 59 Prozent der Befragten erreichen einen positiven Wohlfühlwert.
Raus aus der Sitzfalle: Praktische Tipps für den Alltag
Genug der schlechten Nachrichten, denn wir können ganz konkret etwas unternehmen. Die gute Nachricht: Es braucht keine radikalen Veränderungen, sondern kleine, aber regelmäßige Schritte.
Im Büro: Stell dir einen Wecker, der dich alle 30 Minuten daran erinnert aufzustehen. Geh zum Drucker, hol dir ein Glas Wasser, oder führe Telefonate im Stehen. Viele moderne Arbeitsplätze bieten auch höhenverstellbare Schreibtische. Das ist eine Investition, die sich lohnt. Einige Smartwatches erinnern ebenfalls an kurze Bewegungseinheiten.
Meetings mal anders: Warum nicht mal ein Walking-Meeting vorschlagen? Viele Gespräche lassen sich wunderbar beim Gehen führen und die Kreativität profitiert davon.
Der Arbeitsweg: Wenn möglich, steig eine Station früher aus und geh den Rest zu Fuß. Oder nimm das Fahrrad statt des Autos. Jede zusätzliche Bewegung zählt.
Zu Hause: Verbanne das Handy aus dem Schlafzimmer und stell den Wecker ins Bad, denn so musst du wenigstens zum Ausschalten aufstehen. Führe das Prinzip „Keine Werbung im Sitzen“ ein: Bei jeder Werbepause stehst du auf und bewegst dich.
Muskeln brauchen Training – ein Leben lang
Hier kommt ein Punkt, den viele unterschätzen: Ausdauer allein reicht nicht. Prof. Ingo Froböse betont: „Zusammen mit regelmäßiger Bewegung ist das Trainieren unserer Muskeln für ein gesundes Altern lebenslang notwendig. Wir dürfen es nicht länger als freiwillige Ergänzung zum Ausdauertraining betrachten, sondern als präventive Pflichtaufgabe.“
Ab 30 verlieren wir jedes Jahr etwa ein Prozent unserer Muskelmasse, wenn wir nichts dagegen tun. Mit 65 haben wir also schon ein Drittel unserer Muskeln eingebüßt. Das erklärt, warum ältere Menschen oft gebrechlicher werden und häufiger stürzen.
Krafttraining ist deshalb keine Eitelkeit, sondern Gesundheitsvorsorge. Du musst nicht zum Bodybuilder werden, schon zwei Trainingseinheiten pro Woche mit dem eigenen Körpergewicht oder leichten Gewichten machen einen enormen Unterschied.

Die Digitalisierung als Chance und Risiko
Interessant ist auch der Aspekt der digitalen Gesundheitskompetenz. Nur 35 Prozent der Befragten verfügen über eine exzellente digitale Gesundheitskompetenz, wobei 58 Prozent unsicher sind, ob sie digitalen Gesundheitsquellen trauen können.
Hier liegt eine Chance: Fitness-Apps wie Freeletics, Schrittzähler und Smartwatches können helfen, das eigene Bewegungsverhalten zu überwachen und zu verbessern. Aber Vorsicht bei Gesundheitsinformationen aus dem Internet, denn nicht alles, was im Netz steht, ist auch richtig.
Der erste Schritt ist der wichtigste
Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt, im wahrsten Sinne des Wortes. Fang klein an: Steh beim nächsten Telefonat auf. Geh in der Mittagspause fünf Minuten vor die Tür. Nimm die Treppe statt den Aufzug. Das Ziel ist nicht, über Nacht zum Marathonläufer zu werden, sondern aus dem gefährlichen Sitzmarathon auszusteigen. Dein Körper wird es dir danken und dein Wohlbefinden auch.
Die Zeit zum Aufstehen ist jetzt. Denn Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.
Quellen: DKV-Report 2025, Deutsche Krankenversicherung AG in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität Würzburg