Von Prof. Dr. med. Basem Ishak
Wer kennt es nicht – ein ziehender Schmerz im unteren Rücken nach einem langen Arbeitstag, ein steifer Nacken nach Stunden am Computer oder diese unangenehme Spannung zwischen den Schulterblättern, die sich einfach nicht lösen will. Und wenn man dann mal spontan mit den Freunden oder Kindern Basketball oder Tennis spielt, zieht‘s auf einmal heftig in den Rücken. Für viele Männer gehört dies zum Alltag, und oft wird der Rücken im Trainingsprogramm erst dann beachtet, wenn der Schmerz nicht mehr zu ignorieren ist.
Denn – jetzt mal ehrlich – wir setzen im Gym doch alle lieber auf starke Oberarme, Bauchmuskeln, definierte Beine und eine knackige Kehrseite, statt auf öde Wirbelsäulengymnastik. Aber: Die Wirbelsäule ist DAS zentrale Stützelement unseres Körpers und sollte deswegen immer mittrainiert werden. Doch wer hat dafür Zeit und Muße? Zum Glück können wir sie auch mit kleinen, regelmäßigen Übungen unterstützen und Problemen vorbeugen. Als Wirbelsäulenexperte und Chirurg, der extrem viel und lange steht, habe ich ein paar ideale Übungen, die sich in den Alltag integrieren lassen und ganz nebenbei euren Rücken stärken.
Mobilität auf dem Bürostuhl aktivieren
Wer viel sitzt und aktiv nichts tut, schädigt seinen Rücken massiv. Denn die Muskulatur verkürzt sich, verliert an Spannung und kann das Skelett nicht mehr richtig stützen. Doch auch im Sitzen kannst du etwas tun. Setze dich aufrecht auf einen Stuhl, die Füße stehen fest auf dem Boden. Lege die Hände über Kreuz auf deine Schultern oder verschränke sie vor der Brust. Drehe nun den Oberkörper langsam nach rechts, halte die Position für einen Moment, und drehe dich dann langsam nach links.
Achte darauf, dass dein Becken stabil bleibt und sich nur der Brustkorb bewegt. Diese einfache Übung bringt wieder Bewegung in die Brustwirbelsäule, fördert die Durchblutung im Rücken und kann helfen, Verspannungen zu lösen. Besonders nach langem Sitzen ist sie eine wohltuende Mobilisation für zwischendurch.

Wandliegestütz
Kaum zu glauben, aber auch diese Übung bewirkt was. Stelle dich ca. einen halben Meter von einer Wand entfernt hin. Füße hüftbreit, Zehen gerade Richtung Wand. Lege beide Hände auf Brusthöhe an die Wand. Die Arme sollten dabei gestreckt, aber nicht komplett durchgedrückt sein. Beuge langsam die Ellenbogen und lasse den Oberkörper kontrolliert Richtung Wand sinken. Drücke dich ebenso langsam und kontrolliert wieder ab. Das Becken und der Rücken bleiben dabei immer gerade. Wiederhole die Übung 10-15 Mal. Sie aktiviert die Muskulatur von Armen, Schultern und Brust und stärkt nebenbei deine Körpermitte.

Treppensteigen mal anders
Übung 1: Ich gebe zu, das mag etwas komisch aussehen, aber seitlich die Treppe hoch- oder runterzusteigen, ist Gold wert für die seitliche Hüft- und Beckenmuskulatur. Gehe dafür einfach langsam und kontrolliert seitwärts die Treppe hoch. Der Oberkörper bleibt aufrecht, jede Bewegung wird bewusst gemacht. Auch wenn es nicht so scheint, aber ihr kräftigt damit sowohl eure seitliche Muskulatur und fördert eure Balancefähigkeit.
Übung 2: Wenn du ohnehin schon an der Treppe bist, schieb noch eine Ischiasdehnung ein. Stelle dich dafür vor die unterste Treppenstufe, lege ein Bein gestreckt auf die Stufe, ziehe die Fußspitze leicht zu dir und beuge dich langsam mit geradem Rücken vor. Du solltest nun eine Dehnung entlang der Rückseite des Beins sowie deines unteren Rückens spüren. Halte die Dehnung ein paar Sekunden und wechsle dann die Seite. Diese Übung hilft, Spannungen in der gesamten rückseitigen Muskelkette zu lösen und Beschwerden im Bereich des Ischias zu lindern.

Stärken nach dem Duschen oder im Gym
Die nächste Übung kannst du nach dem Duschen machen, im Fitnessstudio oder wann immer du ohnehin schon ein Handtuch benutzt und noch ein paar Minütchen übrig hast: Halte das Handtuch mit beiden Händen auf Schulterhöhe. Ziehe es kontrolliert auseinander und halte die Spannung für fünf Sekunden. Wiederhole dies in verschiedenen Armpositionen (vor der Brust, über dem Kopf, schräg).
Diese isometrische Übung aktiviert gezielt die Schulter-, Rumpf- und Bauchmuskulatur und kann helfen, Rückenbeschwerden vorzubeugen. Diese unscheinbare Übung aktiviert tief liegende Haltemuskeln, ohne den Rücken zu belasten. Sie fördert die Rumpfstabilität, verbessert die Körperhaltung und kann helfen, Überlastungsschmerzen zu vermeiden.

Beim Fernsehen sinnvoll dehnen
Entspannung muss ein – gönn dir also Fußball, Netflix oder Youtube wie sonst auch. Nur: Leg dich nicht aufs Sofa, sondern auf eine Trainingsmatte während du schaust.
Übung 1: Piriformis-Dehnung. Leg dich auf den Rücken, winkle Bein an und lege das andere Bein langsam im 90-Grad-Winkel darüber. Nun greifst du das angewinkelte Bein mit beiden Händen am Unterschenkel und es Richtung Brust – das angewinkelte Bei liegt dabei weiter auf. Wenn du die Dehnung verstärken möchtet, kannst du mit einer Hand etwas Druck auf das angewinkelte, aufliegende Knie ausüben. Diese Dehnung lockert den tiefen Piriformis-Muskel im Gesäß, der häufig bei Ischiasbeschwerden eine Rolle spielt. Halte die Dehnung einige Atemzüge und wechsle dann die Seite.
Übung 2: Strecke beide Beine lang aus. Winkle nun ein Bein an und ziehe das Knie in Richtung Brust. Das andere Bein bleibt gestreckt. Halte die Position für etwa 30 Sekunden und wechsle dann die Seite. Die Übung deht den Hüftbeuger, der bei langem Sitzen oft verkürzt ist. Sie bringt wieder Länge und Leichtigkeit in den unteren Rücken.

Gezielte Rückentrainings
Es kann also jeder täglich etwas für seinen Rücken tun. Dennoch empfehle ich – auch aus eigener Erfahrung – anspruchsvollere Rückenübungen mit ins Sportprogramm aufzunehmen. Insbesondere, wenn es schon Probleme mit der Wirbelsäule gab oder das Zwicken und Ziehen immer häufiger vorkommt. Nehmt euch die Zeit. Denn ein gesunder Rücken ist kein Luxus, sondern die Basis für ein aktives und selbstbestimmtes Leben. Schöner Nebeneffekt: Neben muskulösen Armen und dem berühmten Sixpack ist auch ein trainierter und beweglicher Rücken ein sehr ansehnlicher Teil des Körpers.

Über den Autor
Prof. Dr. med. Basem Ishak, Chefarzt der Wirbelsäulenabteilung der ATOS Klinik Wiesbaden, beschäftigt sich seit Jahren mit den Ursachen von Rückenschmerzen – und vor allem mit der Frage: Wie können wir präventiv handeln, bevor der Schmerz uns ausbremst? In seinem neuen Buch „Rückenschmerzen? Jetzt reicht’s!“ gibt er praxisnahe Tipps, wie man den Rücken im Alltag schützt und stärkt – ohne dass sofort eine Operation notwendig wird.
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