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Kreislauf außer Kontrolle: Die unterschätzte Gefahr durch extreme Hitze

Die Sonne brennt, das Thermometer kratzt an der 40-Grad-Marke, der Asphalt flimmert – und Deutschland zeigt sich erschreckend schlecht vorbereitet. Während andere Länder bereits Evakuierungspläne, Hitzeschutzräume und mobile Einsatzteams aktivieren, verläuft die deutsche Vorsorge gegen Extremhitze noch weitgehend unter dem Radar. Besonders bedrohlich ist das für Menschen mit Vorerkrankungen, ältere Personen und daher auch für Männer zwischen 45 und 65, die sich oft als zu fit für echte Risiken einschätzen.

Deutschland ist nicht vorbereitet

Laut einer aktuellen Analyse der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) drohen in extremen Hitzeszenarien „zehntausende Todesfälle binnen weniger Tage“. Ein Szenario, das vermeidbar wäre – mit Vorbereitung, klaren Zuständigkeiten und einem entschlossenen Umgang mit der klimatischen Realität. Doch die Hitze wird in Deutschland rechtlich nicht als Naturkatastrophe gewertet – und das hat Folgen.

Warum trifft uns Hitze so hart?

Extremtemperaturen sind in Deutschland immer noch ein vergleichsweise neues Phänomen. Zwar gab es auch früher heiße Sommer, aber Ereignisse wie der sogenannte Hitzedom – also eine feststehende Hochdruckzone, die die Hitze über Tage oder Wochen wie unter einer Kuppel einschließt – sind bisher selten aufgetreten. Doch der Klimawandel verändert das: Solche Doms traten zuletzt unter anderem in Kanada (2021), Arizona, Indien oder Saudi-Arabien auf – mit Temperaturen über 40 Grad Celsius, über Wochen hinweg. Auch in Deutschland ist das möglich, und in Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet oder Berlin besonders wahrscheinlich.

Der Hitzesommer 2003 lieferte einen Vorgeschmack: Rund 7.600 hitzebedingte Todesfälle wurden in Deutschland geschätzt – bei Temperaturen, die aus heutiger Sicht kaum noch extrem erscheinen. Und trotzdem: Noch immer verfügen laut DGG nur 25 von mehreren Tausend Kommunen über Hitzeaktionspläne, meist ohne Szenarien für Hitzedome.

Männer über 45 – stärker gefährdet als gedacht

Wer denkt, dass nur Hochbetagte bei Hitze gefährdet sind, liegt falsch. Auch Männer mittleren Alters müssen aufpassen. Gerade dann, wenn sie Risikofaktoren mitbringen. Dazu zählen chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Probleme oder Diabetes, die in dieser Altersgruppe keine Seltenheit sind. Hinzu kommen Faktoren wie Übergewicht, Rauchen, Alkoholkonsum und ein oft übertriebener Leistungsgedanke: „Ich bin doch noch fit“ funktioniert bei 38 Grad im Schatten nicht mehr.

Auch Medikamente – etwa zur Blutdrucksenkung oder Entwässerung – können die Temperaturregulation beeinflussen. Was vielen nicht bewusst ist: Bereits bei 30 Grad beginnt der Kreislauf, bei Belastung ernsthaft zu kämpfen. Ab 35 Grad im Schatten steigen die Risiken sprunghaft – und ab 40 Grad ist auch für Gesunde äußerste Vorsicht geboten.

Was passiert eigentlich im Körper bei Hitze?

Der menschliche Körper versucht, seine Kerntemperatur bei etwa 36,5 bis 37 Grad Celsius zu halten. Steigt die Außentemperatur, beginnt der Körper über Schweiß Verdunstungskälte zu erzeugen, eigentlich ein genialer Mechanismus. Doch bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit oder extremer Hitze versagt dieser Prozess. Der Körper überhitzt, der Blutdruck fällt, das Herz muss mehr arbeiten, und es kommt zu einem Flüssigkeitsverlust, der lebensbedrohlich werden kann. Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Krämpfe und Verwirrtheit sind Warnzeichen. In schweren Fällen droht ein Hitzschlag und somit ein medizinischer Notfall.

Mit zunehmendem Alter funktioniert die Temperaturregulation weniger effizient. Die Schweißproduktion nimmt ab, das Durstgefühl lässt nach, und das Herz-Kreislauf-System reagiert empfindlicher. Wer dann noch Sport treibt, im Garten arbeitet oder mit dem Fahrrad durch die Sonne pendelt, riskiert mehr als nur einen Sonnenbrand.

Was du bei Hitze konkret tun solltest

Die wichtigste Maßnahme: Frühzeitig reagieren. Warte nicht, bis du dich schlapp fühlst. Bei vorhergesagten Temperaturen über 30 Grad gilt:

  • Auf körperliche Anstrengung im Freien möglichst verzichten.
  • Genug trinken – idealerweise 2 bis 3 Liter täglich. Wasser, ungesüßte Tees oder Saftschorlen sind ideal. Alkohol wirkt hingegen entziehend.
  • Leichte Kleidung tragen und helle Farben bevorzugen, um die Wärmereflexion zu minimieren.
  • Kühlen, lüften, abdunkeln: Räume am frühen Morgen gut durchlüften, dann Rollos runter und Ventilatoren nutzen.
  • Körper kühlen: Kalte Arm- oder Fußbäder, nasse Tücher im Nacken, Schatten suchen.
  • Auf Warnzeichen achten: Wenn Schwindel, Muskelkrämpfe oder Herzrasen auftreten – sofort raus aus der Hitze, Flüssigkeit zuführen und im Zweifel ärztliche Hilfe holen.

Hitze – auch ein gesellschaftliches Problem

Die medizinischen Risiken sind nur ein Teil des Problems. Die strukturelle Vorbereitung in Deutschland hinkt gewaltig hinterher. Während in Ländern wie Frankreich, Spanien oder den USA Evakuierungspläne, öffentliche Kühlräume und Notfallmaßnahmen längst etabliert sind, bleibt hierzulande vieles dem Zufall überlassen.

Laut DGG fehlen:

  • gesetzlich geregelte Hitzeaktionspläne auf kommunaler Ebene
  • Verbindliche Zuständigkeiten für den Ernstfall
  • Regelungen für Beschäftigungsverbote bei Außentätigkeiten
  • Notfallpläne für Krankenhäuser bei Massenanfall von Hitzepatienten
  • Evakuierungskonzepte für besonders gefährdete Stadtteile
  • Gekennzeichnete, klimatisierte Aufenthaltsräume in der Öffentlichkeit

Solange Hitze nicht als Naturkatastrophe eingestuft wird, bleiben solche Maßnahmen freiwillig und im Zweifel zu spät.

Was du als Einzelner tun kannst

Zwar liegt vieles in der Hand von Politik und Verwaltung, aber auch du kannst einen Beitrag leisten, für dich und andere. Sprich mit älteren Nachbarn, checke bei Familie oder Freunden mit Vorerkrankungen, ob sie sich schützen. Teile Warnungen in deinen Netzwerken, und plane deine Sommerferien nicht nur nach der Lage des Hotels, sondern auch nach der voraussichtlichen Wetterlage. Und ganz pragmatisch: Ein Ventilator, ausreichend Wasser im Haus und ein funktionierendes Thermometer sind keine übertriebene Vorsicht, sondern vernünftige Selbstfürsorge.

Fazit: Der Hitzesommer wird kommen. Die Frage ist nur, wie vorbereitet du bist.

Für Männer zwischen 45 und 65 ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen. Nicht aus Panik, sondern aus Verantwortung. Der Körper ist kein Kühlschrank. Und wer mit 48 noch denkt, er könne bei 37 Grad mittags eine Stunde joggen, wird von der Realität vielleicht brutal überholt. Hitze ist kein Urlaubswetter mehr. Sie ist eine gesundheitliche Herausforderung und eine gesellschaftliche noch dazu.

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel (Jg. 1971) lebt als Patchwork-Papa mit der Familie in Hamburg. Neben NOT TOO OLD betreibt er auch das Väter-Magazin Daddylicious. Außerdem ist er Experte für Influencer-Marketing. Bisher hat er bereits fünf eigene Unternehmen gegründet, schreibt für diverse Print- und Online-Magazine, tritt als Speaker und Moderator auf und betreibt zu diesem Magazin auch einen Podcast. Nach Feierabend entspannt er beim Laufen oder Golf.

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