Manche Männer kaufen sich mit Mitte 40 einen Porsche. Torsten Bendlin gründete stattdessen ein Software-Startup – als alleinerziehender Vater, ohne Programmierkenntnisse und mit der festen Überzeugung, dass niemand ihn von diesem Weg abbringen könnte. Acht Jahre später führt er ein Unternehmen mit Millionenumsätzen. Seine wichtigste Erkenntnis: Das größte Risiko ist, nichts zu wagen. In unserer Podcast-Folge #63 spricht er über spätes Gründen, echte Risiken und deutsche Ausreden.
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2017 stand Torsten Bendlin an einem Scheideweg. Der Einkaufsleiter eines mittelständischen Industrieunternehmens mit knapp 800 Millionen Euro Umsatz hatte ein komfortables Leben: gutes Gehalt, Prokura, drei Wochen USA-Urlaub mit den Töchtern. Doch eine Idee ließ ihn nicht mehr los: Was wäre, wenn man die Potenziale in Unternehmen wirklich heben könnte – durch eine Software, die aus den Ideen der Mitarbeitenden echte Ergebnisse macht?
Die Rahmenbedingungen waren alles andere als ideal. Seine Zwillingstöchter waren Teenager, er war alleinerziehend. „Da war auch eine ganze Portion Egoismus dabei“, gibt Bendlin heute offen zu. „Niemand auf dieser Welt hätte mich von diesem Vorhaben abbringen können.“ Er wollte seinen Töchtern aber auch ein Vorbild sein – für Mut, Risikobereitschaft und Unternehmergeist.
Vom Einkaufsleiter zum Digital-Unternehmer
Der Weg zur Gründung war kein geradliniger. Bendlin absolvierte parallel zu seinem Job einen MBA, lernte im Silicon Valley das Prinzip von Venture Capital kennen und schrieb einen 85-seitigen Businessplan – den ihm später ein Mentor mit den Worten „vergiss es“ zurückgab. Stattdessen musste er erst lernen, wie digitale Geschäftsmodelle wirklich funktionieren.
Seinen ersten großen Auftritt hatte Bendlin bei einem Pitch-Event in Bielefeld. Mit einer Tüte Silbersterne von Amazon bewaffnet, warf er sie über sich, ließ sie zu Boden fallen und rief: „Maßnahmen sind wie Sterne, die vom Himmel fallen – in Excel-Tabellen bleiben sie liegen und werden mit Füßen getreten.“ Die Show-Einlage gewann ihm den Pitch und den Zugang zur Founders Foundation, einem Inkubator, der sein Geschäftsmodell professionalisierte.

Die Finanzierung kam zunächst von einem befreundeten Ehepaar, das ihm 300.000 Euro als normales Darlehen lieh, also volles Risiko, ungedeckelt. Später folgten über 10 Millionen Euro Venture Capital. „Ohne diese 10 Millionen hätte es diese Firma nicht gegeben“, sagt Bendlin. „Und die Bank hätte mir das nie gegeben.“
Leben mit weniger – und trotzdem reicher
Die Ironie seiner Geschichte: Obwohl Valuedesk heute Millionenumsätze macht und über 40 Mitarbeiter beschäftigt, verdient Bendlin selbst bis heute weniger als in seiner Anstellung. Die Drei-Wochen-USA-Urlaube fielen weg, der Lebensstandard wurde heruntergefahren. „Ich hatte nie einen Porsche und ich verstehe auch nicht, wie man den haben kann“, sagt er lachend.
Bereut hat er die Entscheidung keine Sekunde. „Darum aber etwas gestalten zu können, mit coolen Menschen etwas aufzubauen – das hat mir zehntausendmal alles zurückgegeben.“ Seine Downside? „Gut, dann hätte es halt nicht geklappt. Aber ich habe mir über die Zeit Kompetenzen angeeignet, die nicht viele Menschen haben.“
Deutschland: Besser als sein Ruf
Ein Thema, bei dem Bendlin leidenschaftlich wird, ist die vermeintliche Gründerfeindlichkeit Deutschlands. „Hört auf mit dem Schlechtreden!“, appelliert er. „In jeder deutschen Stadt gibt es ein Gründungszentrum, Inkubatoren, Coworking Spaces, Fonds, Venture Capital. Wir sind Weltmeister darin, uns schlecht zu reden und Ausreden zu haben, warum etwas nicht geht.“
Die Bürokratie? „Ja, ist krass. Aber mein Gott, das sind die Spielregeln. Wenn deine Geschäftsidee daran scheitert, dass du keine Rechtsform findest, dann bist du auch kein Unternehmer.“ Sein Rat: Das Wissen ist da draußen – Google, YouTube, Experten, Netzwerke. Man muss sich nur eine Grundkompetenz aneignen und darf nicht alles an Anwälte und Steuerberater delegieren.
Standort Bielefeld statt Berlin oder München
Dass Bendlin nicht in einen der klassischen Startup-Hubs gezogen ist, war bewusste Entscheidung. „Wenn es SAP in Walldorf geschafft hat, dann schaffen wir es in Bielefeld dreimal“, sagt er augenzwinkernd. Die Vorteile sieht er klar: höhere Loyalität der Mitarbeiter, niedrigere Fluktuation, größere Wahrnehmung als regionaler Champion.
„Die Intelligenz ist gaußisch normalverteilt“, ist er überzeugt. „Die Menschen in Bielefeld oder Paderborn sind nicht weniger schlau als in München oder im Silicon Valley. Du musst nur schaffen, so eine Attraktivität auszustrahlen, dass sie zu dir kommen.“

Junge und Alte: Ein Team ohne Vorurteile
Bendlins Team ist bewusst divers – altersmäßig und geschlechtlich. Das Führungsteam ist zu 50 Prozent weiblich besetzt, die Altersspanne reicht von Anfang 20 bis über 50. In der Gründungsphase arbeitete er mit zwei Mathematikern zusammen, die 24 Jahre alt waren – halb so alt wie er.
„Ich habe nur hoch ambitionierte junge Menschen erlebt“, sagt Bendlin. „Und ich glaube nicht, dass diese Verteilung so brutal anders geworden ist, als wir damals zwanzig waren.“ Die ständigen Vorurteile gegen die junge Generation hält er für falsch: „Hört mal genau hin – es gibt viele verbohrte ältere Menschen.“
Allerdings hat er auch eine klare Botschaft an ältere Arbeitssuchende: „Wer glaubt, er war Manager und geht auf dem Niveau weiter – gut für ihn. Aber wer mir erzählt, er kann weder verkaufen noch programmieren, sondern ist ’strategisch gut am Whiteboard‘ – den brauche ich nicht.“ Seine Forderung: Echte Kompetenzen entwickeln, auf der Höhe der Zeit bleiben, nicht nur auf Erfahrung von vorgestern setzen.
KI: Chance statt Bedrohung
Das Thema Künstliche Intelligenz sieht Bendlin als revolutionäres Produktivitätswerkzeug. „Wer sich nicht damit beschäftigt, hat das Potenzial, sein Geschäftsmodell zu verlieren“, warnt er. Gleichzeitig relativiert er den Hype: „Auf der einen Seite wird es überschätzt, was kurzfristig möglich ist. Aber man muss sich intensiv damit beschäftigen.“
Valuedesk rollt Ende 2024 erste KI-Features aus – zunächst bodenständige Funktionen wie automatische Management-Zusammenfassungen. „Das richtige große Ding kommt noch“, verspricht Bendlin. Wichtig sei, dass KI einen echten Wert für Kunden stiftet und nicht nur ein Spaß-Feature ist.
Der Preis des Erfolgs
Die Arbeit als Gründer fordert ihren Tribut. Bendlin ist ständig erreichbar, die Trennung von Privat- und Berufsleben fällt schwer. Seine frühere Morning Routine – um 5:30 Uhr aufstehen, autogenes Training, Yoga, Krafttraining, Rudern – hält er heute nicht mehr durch. „In den guten Zeiten habe ich es gut im Griff. Aktuell ist eher die Winterzeit eingetreten“, gibt er zu. „Ich habe eine gute Abendroutine auf dem Sofa, aber keine gute Morgenroutine.“
Die ersten Jahre waren „schon ziemlich wild“ mit Partys und Ausschweifungen. „Ich glaube, hätte man das nicht gemacht, hätte man vielleicht den Druck gar nicht ausgehalten“, rechtfertigt er heute. „Du gehst nur an der Belastungsgrenze – das ganze Team auch. Und vielleicht gehört dann auch mal die eine oder andere Party dazu.“
Jetzt oder nie
Seine wichtigste Botschaft an Gleichaltrige, die mit einer Gründungsidee spielen? „You are not too old. Andersrum gesagt: Worauf willst du noch warten? Das Maßband wird ein bisschen kürzer – verschwende dein Leben nicht mehr für Dinge, die du nicht wirklich machen willst.“
Sein Rat: Mit jedem über die Idee sprechen, keine Angst vor Ideenklau haben („niemand setzt es um“), Wettbewerb als Marktvalidierung sehen und in kleinen Schritten validieren. Die Fünfer-Regel: Erst fünf Minuten mit fünf Menschen sprechen, dann fünf Stunden investieren, dann fünf Tage – und immer nur weitermachen, wenn das Feedback positiv ist.
„Erst mal hier anfangen“, sagt Bendlin über Deutschland als Gründungsstandort. „Dann macht dein Ding richtig groß, dann kriegst du auch amerikanisches Geld. Aber das sind alles nur Ausreden.“ Mit 56 Jahren lernt er übrigens immer noch Neues – zuletzt das DJ-Handwerk für den Geburtstag seiner Schwester. „Man ist niemals zu alt, was Neues zu lernen.“
Links zu Torsten Bendlin
| Website von Valuedesk | valuedesk.de |
| Podcast von Torsten Bendlin | Werte & Hebel |
| Torsten Bendlin bei LinkedIn | @bendlin |
Hier gibt’s weitere Folgen des NOT TOO OLD Podcast.
